Latein
SALVE !
"Felix,qui potuit rerum cognoscere causas." (Vergil)
"Glücklich, wem es gelang, den Grund der Dinge zu erkennen."
Seit fast einem halben Jahrtausend wird am Wilhelmsgymnasium Latein (und Griechisch) unterrichtet – Die Vorteile, die die Beschäftigung mit der „Kultursprache Europas“ mit sich bringen, sind gleichwohl wichtiger und aktueller denn je:
Denn Latein vermittelt wie kein anderes Fach eine große Bandbreite an Kompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Schlüsselqualifikationen, die nicht nur im schulischen oder universitären Bereich, sondern auch und gerade im Berufsleben von entscheidender Bedeutung sind. Dabei greifen all diese Kompetenzen, die durch den großen Facettenreichtum des modernen Lateinunterrichts unseren Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, systematisch ineinander und eröffnen ihnen so die Möglichkeit, sich ein "geistiges Betriebssystem“ zuzulegen, auf das sie ein ganzes Leben zurückgreifen können.
Egal, ob man sich mit Medizin oder Linguistik, angewandter Mathematik oder Archäologie, Architektur oder Teilchenphysik beschäftigt, dieses „intellektuelle LINUX“, ist für praktisch alle Situationen in Schule, Studium oder Beruf kompatibel und beinhaltet eine Fülle von Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, auf das jegliche andere „geistige Software“ (Fachwissen, -kenntnisse gleich welcher Richtung) problemlos und zugleich vernetzt aufgesetzt werden kann. Gerade angesichts der immer kürzer werdenden Halbwertszeit von fachlich spezialisiertem Wissen ist dies ein unschätzbarer Vorteil, oft sogar Alleinstellungsmerkmal.
Durch das Lernen von Latein und die intensive Auseinandersetzung mit der Sprache wenden unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur analytisches, kombinatorisches und problemlösendes Denken in verschiedenen Kontexten an, sie sind es auch gewohnt, aufgrund der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum systematisch, präzise und zielorientiert zu arbeiten, Problemstellungen intensiv zu durchdringen und dabei unterschiedliche, bei Bedarf auch immer wieder neue Lösungsansätze zu entwickeln. Dass dabei neben der notwendigen Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit hin und wieder auch eine gewisse Frustrationstoleranz gefragt ist, sei nicht verschwiegen. Dies bietet aber, wie bei jedem Lernprozess, zugleich auch die Chance zur Weiterentwicklung der individuellen Fähigkeiten und zur Persönlichkeitsbildung. Um diese Tatsache wissen natürlich auch unsere Lehrkräfte und unterstützen daher intensiv und individuell jeden einzelnen Schüler und jede einzelne Schülerin.
Durch die Systematik und Kontinuität des Lernens bzw. Arbeitens entsteht Struktur und dauerhafte Ordnung im Kopf der Kinder und Jugendlichen, die sie befähigt, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen nachhaltig und mit Erfolg auch in anderen Bereichen bzw. Fächern anzuwenden. Gleichzeitig wird durch die intensive und reflektierende Beschäftigung mit einer Literatursprache wie dem Lateinischen der Wortschatz sowie die Ausdrucksfähigkeit der Kinder bzw. Jugendlichen im Deutschen erheblich erweitert und verbessert („Jede Lateinstunde ist auch eine Deutschstunde“) – die Schulung und kontinuierliche Erweiterung dieser in unserer von Kurznachrichten und Sprachverarmung geprägten Zeit immer wichtiger werdenden Kompetenzen entwickelt sich immer mehr zu einem der wichtigsten Effekte des Lateinunterrichts.
Dabei ist es unserer Ansicht nach von entscheidender Bedeutung, dass all diese Fähigkeiten so früh wie möglich erworben werden. Denn wie uns unsere unterrichtliche Praxis gezeigt hat, bleiben all diejenigen Fähigkeiten und Kompetenzen, die vor der Pubertät erworben werden, deutlich dauerhafter und nachhaltiger im Gedächtnis unserer Schülerinnen und Schüler verankert. Daher wird an unserer Schule Latein ab der 5. Jahrgangsstufe unterrichtet.
Dies bietet zudem den Vorteil, dass die Grundlagen der Sprache (sog. Spracherwerb) in 4 Jahren erworben werden können, während Schülerinnen und Schüler, die Latein als 2. Fremdsprache lernen, dass gleiche Pensum in 3 Jahren bewältigen müssen. Latein ab der 5. Klasse bedeutet also ein deutlich entspannteres und altersgemäßes Lernen.
Da die Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen (s. Abb.) auf der „geistigen Festplatte“ der Schülerinnen und Schüler gespeichert sind (und von dort jederzeit abrufbar sind), kann das dadurch zur Verfügung stehende geistige Potential vom „ geistigen Arbeitsspeicher“ für kreatives Denken, Phantasie und neue Ideen genutzt werden.
Die Möglichkeiten eines solchen geistigen Betriebssystem spielen aber auch im Bereich der Persönlichkeitsbildung eine große Rolle: so bietet dieses geistige Betriebssystem die Möglichkeit zur fundierten geistigen Orientierung und zur Entwicklung von Werthaltungen, oder anders formuliert: die Schülerinnen und Schüler können ihr Denken und Tun reflektierend hinterfragen und müssen sich nicht von durch Andere erdachten Lösungsangeboten, Algorithmen oder Wertvorstellungen abhängig machen. So werden für unsere Schülerinnen und Schüler auch z.B. die Angebote der Digitalisierung zum selbstverständlich genutzten Instrument und nicht zum reinen Selbstzweck.
Aber noch ein weiterer, ganz entscheidender Aspekt spricht für das Lernen von Latein (und Griechisch):
Durch die Beschäftigung mit antiker (und moderner) Geschichtsschreibung, Politik, Philosophie, Recht, Naturwissenschaft, Dichtung, Religion und Mythologie versuchen wir bei unseren Schülerinnen und Schülern ein vertieftes Verständnis für die Vielfalt der antiken Geisteswelt und ihr Fortwirken bis heute zu schaffen. Dadurch soll ihnen ermöglicht werden, mit den Denkmodellen der Antike in einen geistigen Dialog zu treten, diese Modelle reflektiert zu bewerten und die gewonnenen Erkenntnisse für sich fruchtbar zu machen.
Darüber hinaus setzen sich unsere Schülerinnen und Schüler mit wesentlichen Fragen und zentralen Themen des Menschseins auseinander und lernen so verschiedene Standpunkte und Antworten kennen. Und durch das offene, durchaus auch kritische Gespräch mit den Lehrkräften können sie so ein fundiertes Wertebewusstsein entwickeln, das ihnen sowohl Orientierung für die Gestaltung des eigenen Lebens bzw. die Entwicklung eines eigenen Lebenskonzepts bietet, als ihnen auch eine tragfähige Basis dafür verschafft, die Herausforderungen in Studium, Beruf und Gesellschaft als gereifte und mündige Persönlichkeiten erfolgreich zu bestehen.
Mit einer auf diese Weise im wahren Wortsinn „gebildeten“ Persönlichkeit und einem tragfähigen Wertefundament ausgestattet sind unsere Schülerinnen und Schüler daher auch gut gegen jegliche Form von unkritischer oder manipulativer Beeinflussung gewappnet.
Aber Latein zu lernen bedeutet bei weitem nicht nur die rein kognitive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Alltags. Es ist uns ein großes Anliegen, unsere Schülerinnen und Schüler über den Lateinunterricht auch für die „schönen Dingen des Lebens“ zu sensibilisieren.
Dazu gehört nicht nur, ihnen getreu dem Motto: „Wer mehr weiß, sieht mehr“ eine tiefere Einsicht in die kunstvolle Gestaltung literarischer Werke, oder das verstehende Betrachten bedeutender Kunstwerke von der Antike bis in die Gegenwart zu gewähren. Dazu gehört auch die Fähigkeit zum „reflektierten Genießen“ - das heißt die Fähigkeit, ein schönes Gedicht von Catull oder Goethe, ein Musikstück oder die Betrachtung eines Werkes der bildenden Kunst ebenso zu genießen wie einen Spaziergang im Wald oder den Sonnenuntergang am Kap Sounion…
So soll durch den Latein- (und Griechisch)unterricht in unseren Schülerinnen und Schülern einerseits die Erkenntnis geweckt werden, dass Latein als fundamentale Kultursprache ein unverzichtbarer Bestandteil für das Verständnis unserer abendländischen Kultur ist. Andererseits soll ihnen durch die Kenntnis der „Muttersprache Europas“ gleichzeitig ermöglicht werden, die spannenden Angebote, die ihnen die antike Kultur sowie die Auseinandersetzung der Menschen aller Jahrhunderte mit ihr zu bieten hat, zu entdecken und für ihr eigenes Leben fruchtbar zu machen.